Eindrucksvoll, fast schon bedrückend ist die Stimmung als wir einen von oben auf das Lager gerichteten Blick aus dem im Eingangstor integrierten Wachturm werfen. Zäune, Wege und langgezogene Häuser erstrecken sich bis in den kilometerweit entfernten Nebel.Erst jetzt realisieren wir die unfassbaren Dimensionen des vor uns liegenden Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau.
Wirklich bewusst wird uns die ganze Struktur aber erst während der vierstündigen Führung durch das Lager.Die systematische Vernichtung von mehreren hunderttausend Menschen  –  das Vergasen derer, die vermeintlich anders sind  –  und das anschließende Verbrennen meist unbekannt gebliebener Körper, zwischen deren Ankommen im Lager und ihrem Tod nicht selten nur wenige Stunden lagen.Den Ort zu sehen und auf dem Platz zu stehen an dem über Leben und Tod entschieden wurde, war für alle ein einprägsames Erlebnis. Die Rampe  –  ein kleiner Platz mit trockenem Lehmboden inmitten dreier Bahngleise  –  ein exemplarischer Viehwagon mit sieben Metern Länge und zwei Metern Breite, in den bis zu 90 Personen mitsamt ihrem Gepäck hineingedrängt wurden.Der Schotterweg in den Tod  –  der Marsch zu den Gaskammern und den Krematorien in denen so viele Menschen ihrem Tod fanden und anschließend verbrannt wurden.Die Grausamkeit an diesem Ort und die Brutalität hinter dieser Ideologie ebenso wie die unfassbare Struktur nach der das Lager gebaut und geführt wurde war erschreckend.Im später stattfindenden Gespräch mit der Zeitzeugin Zofia Posmysz spielten sich die Bilder der zuvor gesehenen Orte in den Köpfen ab. Die Baracke im Frauenlager in der Zofia Posmysz lebte  –   die sich aufgrund mangelndem Zugang zu sanitären Einrichtungen schnell verbreitenden Krankheiten und nicht zuletzt die ungenügende Verpflegung der Häftlinge.Schon von der Führung im Lager kannten wir die Sanitär-Baracken  –  216 Löcher in drei nebeneinanderstehenden Betonplatten. Schulter an Schulter  –   keine Privatsphäre  –   keine Hygiene   –   manchmal nur zehn Sekunden um seine Notdurft zu verrichten.Einmal Morgens  –  einmal Abends. Doch nun erfuhren wir von einer Frau, die das alles selbst erlebte, ihre ganz persönliche Geschichte.Zofia Posmysz erzählte vor unserer gesamten Gruppe wie ihr Alltag im Konzentrationslager aussah:Aufstehen um halb vier  –  als Frühstück ein stark verdünnter Kaffee  –  danach elf Stunden Feldarbeit  –  und als Abendessen ein Stück trockenes Brot mit Margarine.Die Emotionen   –  die zitternde Stimme  –  und die Gesten, die sie mit ihren Händen machte  –  ihr ganzes Verhalten wirkte, als würde sie die Zeit von damals noch einmal durchleben.Erst während unseres Gesprächs mit Frau Posmysz wurde uns bewusst, welch Privileg es für uns ist, dies alles von einem Menschen zu hören, der all das durchlebt hat.Nicht mehr viele Jahre werden wir die Möglichkeit haben mit Zeitzeugen über das Geschehene zu sprechen. Auch Frau Posmysz weiß das und appellierte darum an uns das von ihr Erzählte an andere Menschen und nachfolgende Generationen weiterzugeben.

Als abschließende Bitte, damit so eine fanatische und brutale Behandlung gegenüber ganzen Menschengruppen nicht erneut passiert, forderte sie uns auf :

 

An eine Ideologie darf man nicht glauben,

    denn sonst ist es einem nicht mehr möglich

    deren Schwächen zu erkennen!

Geschockt, gerührt und dennoch dankbar waren wir nach diesem sehr emotionalen und für die 93-jährige Zofia Posmysz sicherlich auch anstrengenden Gespräch über das an diesem Tag Gehörte und Erlebte.